Jedem alles, allen alles oder alles für mich?

Der gewaltige Zulauf, den populistische und andere Protestbewegungen in den letzten Jahren in Europa genießen, ist ein beeindruckender Gradmesser für die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. Dabei scheint es den Anhängern fast gleichgültig zu sein, aus welcher Richtung der Protestwind bläst.

In Italien versammelt der moderne Anarchist Beppo Grillo die Massen hinter sich. In Österreich erobert der 80-jährige Milliardär Frank Stronach mit seinem wirtschaftspaternalistischen Programm, das ebensogut aus der Zeit der Industrialisierung stammen könnte, aus dem Stand 10% der Stimmen. Was ihnen die Wähler zutreibt ist das Fehlen gesellschaftspolitscher Visionen in den etablierten Parteien, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges scheinbar willenlos von der globalisierten Wirtschaft vor sich hertreiben lassen.

Schade nur, dass die neuen Bewegungen dem selbst keinerlei Konzepte entgegenzusetzen haben. Man erschöpft sich im Protest, bietet allenfalls Detaillösungen an oder erhebt gleich, wie die Piraten, anstelle umfassender Gesellschaftsmodelle die Ahnungslosigkeit zum Prinzip.
Bevor nun die offenbar grau gewordene Demokratie hinter dem oberflächlichen Glamour populistischer Führer verschwindet, wäre es vielleicht an der Zeit sich die Frage zu stellen:

Wie wollen wir unsere Gesellschaft haben?

Solidarisch soll sie sein, diese Forderung erscheint zumindest mehrheitsfähig. Aber was ist das?

Da gibt es zum einen diejenigen, von anderen gerne als Gutmenschen bezeichnet, die jedem alles gönnen, was der sich ersehnt. Naiv natürlich, doch ich bekenne mich zunächst einmal gerne zu dieser Gruppe. Den Arbeitslosen fair bezahlte Arbeit, den Arbeitsunwilligen oder -fähigen existenzgesicherte Freizeit, den Asylbewerbern das Recht auf Aufenthalt und Arbeit, meintewegen jedem eine Villa mit Pool und allen Frieden, Liebe und Freiheit. Den Reichen mehr Reichtum – mir auch recht, wenn es sich ausgeht.

So wäre sie wohl, meine ideale Welt. Nur leider geht es um die Verteilung bestehender oder noch zu schaffender Ressourcen und da geht es sich eben nicht aus.

Die Alternative: Alles für alle. Was da ist, wird in einen Topf geworfen und gleichmäßig neu aufgeteilt oder bleibt gleich Gemeingut, das nach Erfordernis genutzt wird. Eine idealistische Vision, die leider erheblich an Charme verliert, weil sie bereits im großen Feldversuch Kommunismus so spektakulär gescheitert ist. Doch ist das ein Grund dort nicht weiterzudenken?

Und zuletzt die nicht seltene, wenn auch selten reflektierte Vision: Alles für mich. Da liegt wohl der Knackpunkt für alle Gesellschaftskonzepte, denn diesem Prinzip hängt jeder Mensch mehr oder weniger an. Niemand verzichtet gerne zum Wohl anderer auf etwas, das ihm wichtig erscheint. Geben will man, wenn überhaupt, immer nur das was man übrig zu haben meint. Und das ist eben für jeden etwas anderes. (Bei den Reichen leider erfahrungsgemäß weder Geld, noch Villa, noch Pool oder Bentley.)

Ausgenommen davon sind allenfalls nahe Angehörige oder Freunde. Gerne verzichte ich auf einen Kurzurlaub, damit mein Kind mit der Klasse verreisen kann. Aber anstatt mir Schuhe zu kaufen, das dafür gedachte Geld einer wohltätigen Organisation zu spenden erfordert schon einen Tsunami oder ein Erdbeben.

Bei euch ist das anders? Glückwunsch!

Es gab vielleicht Zeiten, als alles kleinräumiger organisiert war und die Solidarität mit den Nächsten ausreichend war. Ich helfe meinem Nachbarn bei der Feldarbeit und dafür hilft er dann mir. Aber in unserer globalisierten Welt erfordert Solidarität Bewusstseinsbildung und Willensanstregung von jedem Einzelnen.

Es ist nicht Solidarität, wenn man es nur fordert, man muss sie auch gewähren. Die Reichen sollen Vermögenssteuern zahlen, damit unser Gesundheitssystem finanzierbar bleibt? Ja! Aber man muss auch sehen und achten, dass denen das genauso schwerfällt, wie uns der Verzicht auf ein paar Schuhe.

Und wer nichts zu geben hat, womöglich nicht einmal ein Lächeln, der soll wenigstens nicht denen, die noch weniger haben, das nackte Leben missgönnen. So mittellos sich der einzelne auch fühlen mag, wir sind eine reiche Gesellschaft. Wir können uns Solidarität leisten. Wir müssen uns Solidarität leisten, um den sozialen Frieden zu wahren.

Und, sorry ihr lieben Millionäre und Milliardäre, bis meine ideale Gesellschaft errichtet ist, gehört eine gerechtere Verteilung der materiellen Ressourcen und der damit verbundenen Macht dazu. Dafür nehmen wir euch liebevoll in unsere Gemeinschaft auf und ihr müsst euch nicht mehr einsam in euren Villen in den weitläufigen Parks langweilen und vor Diebstahl fürchten.

Wir sind eine Gemeinschaft. Und jetzt wird es hart: Die ganze Welt gehört dazu. Wir sind für alle anderen mitverantwortlich und keiner kapiert, wie das funktionieren soll. Denker, Philosophen, Politiker – an die Arbeit, flott!!!

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