So, weiter geht’s: Im ersten Teil meines Reiseberichts sind wir auf dem Weg von Wien nach Amrum ja nur bis Bad Schandau gekommen.
Für alle, die es künftig in die sächsische Schweiz verschlagen sollte, empfehle ich nochmal vorbehaltlos das süße Hotel Albergo Toskana. Auch wenn mir die Toskana-Analogien für Dresden und Umgebung etwas weit hergeholt scheinen – dieses kleine Dreistern-Hotel hat sie konsequent umgesetzt. Besonders positiv fällt das beim Frühstücksbuffet auf. Anstelle des üblichen Konfektionsfutters werden hier italienische Spezialitäten von hervorragender Qualität und frisch zubereitete Eierspeisen aufgetragen. Die Zimmer sind geräumig, der Service freundlich. Fein! Und zweifellos das angenehmste der vier Quartiere, die wir im Lauf unserer Reise genossen haben.
Auch das Hotel in Lübeck, unserer zweiten Station, war durchaus in Ordnung für eine Nacht, wenn auch etwas eng. Doch dorthin mussten wir erst einmal kommen. Nach Pirna (bitte bei der Routenplanung nicht mit dem schnuckeligen slowenischen Seeräubernest Piran verwechseln, das könnte zu Frustrationen führen!) geht es auf die Autobahn.
Deutsche Autobahn! Der Audi, jahrelang im Kerker von 130er Geschwindigkeitsbeschränkungen gefangen, heult vor Freude auf und jagt sich praktisch von allein auf 150, 160, 170, 180 km/h. Doch gleich darauf: 100, 80, 60 – Stau. Denn im Land des Menschenrechts auf Geschwindigkeit bestehen gefühlte fünfzig Prozent der Autobahnen aus Baustellen. Baustellen, auf denen praktisch nie gearbeitet wird.
Auf den theoretisch freien Reststrecken staut es sich dann aus anderen Gründen, meist Schlamperei. Dauernd liegt irgendwas auf den Fahrbahnen herum, wenn man dem Verkehrsfunk glauben soll. Meist Spanngurte, doch auch Metallplatten, Glassplitter, Hühnerkäfige. Uns wundert das kaum, denn immerhin zweimal begegnen wir Autos mit auf dem Dach festgezurrten Matratzen, die sich in abenteuerlichem Winkel aufbiegen. Doch vergeblich warten wir auf die Durchsage wegen herumliegender Betteinlagen. Es wird wohl wieder nur einer der Spanngurte gewesen sein, der sich verabschiedet hat, bevor der Fahrer die Autobahn verlassen konnte.
Sehr ermutigend auch die minutenlangen Warnungen des NDR vor Staus, die eine Länge von drei Kilometern überschreiten. Wir rätseln noch, ob es wirklich sein kann, dass es darüber hinaus noch jede Menge kürzere Verkehrsstörungen gibt, als schon die nächste Ansage kommt. Nun werden nur noch Staus über fünf Kilometer Länge verkündet. Kurz gesagt: Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit ist unserer Erfahrung nach trotz fehlenden Tempolimits in Deutschland deutlich niedriger als in Österreich.
Trotzdem kommen wir an. Und Lübeck umarmt uns mit strahlendem Wetter, tröstet uns mit dem Anblick der historischen Altstadt, die für uns eine geradezu märchenhafte Anmutung hat, und versöhnt uns schließlich sogar mit durchaus annehmbarem Essen für die kulinarischen Fehlschläge der letzten Tage. Ah! Schließlich ist es sogar noch warm genug, um uns am Ufer der Trave in einem der zahlreichen Gastgärten die verdiente Bettschwere anzutrinken. Rundum nette Leute, Livemusik und der Zigarettentrick der passionierten Gelegenheitsraucherin funktioniert hier ebenso wie in Wien: Kellnerin fragen, ob Zigaretten im Lokal auch einzeln verkauft werden und, da das nie der Fall ist, sich eine aus dem persönlichen Besitz der freundlichen Servierkraft aufdrängen lassen. Kellner rauchen immer, auch in Deutschland.
Nachdem ich schon vor Jahren Hamburg zu meiner deutschen Lieblingsstadt erkoren habe, frage ich mich, ob ich einen Hanse-Bonus annehmen oder die Offenheit der Leute und die angenehme Atmosphäre in Hamburg und Lübeck nur der Nähe zum Meer zuschlagen soll. Bremen und Rostock, ich werde euch prüfen!
Doch nun geht es erstmal weiter in Richtung Amrum.