Mein Freundeskreis ist zwischen vierzig und Mitte fünfzig und das Alter Dauerthema. Männer radeln und laufen mit dem körperlichen Verfall um die Wette, verlieren unwiderruflich in heroischem Kampf gegen Bauchansatz und Haarausfall. Frauen mögen — ganz ehrlich! — lieber jeden Tag Salat als Nudeln, Sachertorte oder Schweinsbraten mit Knödeln. Sie zählen Fältchen im Vergrößerungsspiegel, färben die Haare und massieren die erschlaffende Haut mit Cremes und Tinkturen, um deren jährlichen Gegenwert sich, je nach Budget, ein romantischer Kurzurlaub mit dem Partner oder ein fabrikneuer Kleinwagen anschaffen ließe.
Alles ganz natürlich, weil jeder so langsam wie möglich altern möchte. Schließlich lauert am Ende der Tod und da trödelt man gerne am Weg, kauft sich eine jugendliche Maske, um nicht als bald fällig klassifiziert zu werden. Ich mache auch mit, färbe meine Haare, kaufe Hautcremes in der Apotheke und strample häufiger, als ich es mir zugetraut hätte, auf dem Hometrainer.
Doch derlei Aktivitäten dienen im besten Fall der temporären Aufrechterhaltung des Status Quo, denn wirklich jünger macht keine Creme. Folgerichtig las ich vor einiger Zeit in einem österreichischen Magazin: Wer es wirklich ernst meine mit dem Jungbleiben, der solle mit Ende zwanzig beginnen, sich mittels Botox die Gesichtsnerven lähmen zu lassen, da sich Fältchen so gar nicht erst bilden könnten. Eine sehr innovative Idee: Charakter und dessen Ausdruck gar nicht erst entstehen lassen! Einfacher für alle.
Eigentlich nicht einmal lustig, dieser Ansatz, sondern Krankheitssymptom einer Gesellschaft, die aus unerfindlichen Gründen beschlossen hat, den natürlichen Lebenszyklus als abnorm zu begreifen. Jung ist besser als alt. Warum eigentlich?
Ich denke, diese Entwicklung hat auch mit unserer sogenannten Informationsgesellschaft zu tun. Wissen, sofern man es sammeln muss, akkumuliert mit dem Alter. Der weißbärtige Alte, die bucklige Hexe, einst Sinnbilder der Weisheit, haben ausgedient. Da Wissen heute nicht mehr gesammelt, sondern lediglich per Mausklick abgerufen wird, scheinen die weisen Alten an Wert verloren zu haben. Ein Fehlschluss, da Weisheit nicht nur akkumuliertes Wissen, sondern dessen sinnvolle Verknüpfung und Weiterentwicklung mithilfe von Erfahrung bedeutet. Auf diesem Gebiet gibt es noch keine ernstzunehmende Konkurrenz für die Alten.
Warum also verlegen wir unseren Ehrgeiz nicht rechtzeitig auf ein Spielfeld, auf dem wir beste Chancen auf den Sieg haben? Möglichst früh die Weichen in Richtung Altersweisheit zu stellen bringt in jedem Alter Vorteile. Verzweifelt ein ewig glattes und jugendliches Gesicht anzustreben scheint mir demgegenüber ein echtes Loser-Programm zu sein. Im Spiel um authentische Jugendlichkeit hat die Jugend die Nase vorn, da hilft weder Botox noch Powerplate.
Sinnlos, sich auf den Druck der Gesellschaft, die Konkurrenz der Jungen und auf mediengemachte Rollenbilder auszureden. Der einzige Punkt, an dem es hakt, ist der Kopf. Ich spreche aus Erfahrung. Innerlich fühle ich mich nämlich jung und es ist ein Affront der Natur, dass mein Äußeres ungeachtet dessen verwelkt.
Doch das sagen und fühlen alle Alternden und Alten. Selbst im Pflegeheim hört man von der bettlägerigen Greisin, sie hätte keine Lust ihre Zeit zwischen all diesen alten Leuten zu verbringen. Vielleicht ist also jung das falsche Wort für meinen Seelenzustand. Schließlich bin ich auch innerlich wesentlich reifer, gelassener, klüger und einsichtsvoller als mit zwanzig. Wir sind also im besten Fall nicht innerlich jung, wir sind lebendig! Verwechslung nach Blick in den Spiegel ausgeschlossen.
Und da ich persönlich diese vermeintliche innere Jugend nur selbst fühle und anderen nicht unwillkürlich zuschreibe, sehe ich bei denen auch keine Diskrepanz zwischen Äußerem und Innerem. Eine Fünfzigjährige, die ihre grauen Locken und Falten und die zunehmende Körperfülle mit Eleganz trägt und ihr Leben genießt, scheint mir natürlich schön. Im Gespräch mit der faltenlosen Freundin hingegen gelingt es mir kaum, meinen Blick von ihrer glattgebotoxten Stirn zu lösen, die so einen unwirklichen — und unzutreffenden — Eindruck von Leere vermittelt. Blank und jugendlich, das ja, im Ruhezustand auch sehr schön, doch sobald Emotionen im Spiel sind, äußerst irritierend. Und wie geht das weiter? Wie hört man auf? Mit sechzig ist dann Schluss mit den Spritzen und man altert innerhalb weniger Wochen um zehn, zwölf Jahre? Oder geht man glattgebügelt bis ins Grab, eine emotionstote Larvenhülle auf schrumpeligen Hals gepfropft? Ein unlösbares Dilemma.
Es liegt an uns! Wenn die Alternden ihren Reifungsprozess als bedauerlichen Defekt erleben und sich der Jugend mit allen Tricks anbiedern, dann wird die kaum mit Respekt und Achtung darauf antworten.
Ein Hoch also auf alle, die den Mut haben, dem Alter mit Würde entgegenzutreten, die nicht ewig jung, sondern lebendig sein wollen! Growing old is not for Sissies, wie schon Bette Davis anmerkte. Denn die einzige Möglichkeit nicht alt zu werden ist: jung zu sterben.