Ich quatsche ja in Gesprächen öfter mal dazwischen und mag es prinzipiell, wenn andere das auch tun. Ein kurzer Einwurf, der signalisiert, dass der andere verstanden hat, was man meint oder eben auch nicht, eine Weiterführung oder Abzweigung eines Gedankens, die mir so gar nicht in den Sinn gekommen wäre, und die ich dann meinerseits mit ebenso erhellenden Assoziationen komplettieren kann usw. – für mich das Idealbild einer lebhaften Konversation. Was ist öder, als eine Idee zu formulieren und dafür mit – angeblich höflicher – Nichtreaktion bedacht zu werden? Wie soll man wissen, ob das Gegenüber einen verstanden hat oder auf weitere Erklärungen wartet? Wozu immer weiterreden, wenn die Freundin längst weiß, worauf ich hinauswill?
Ausreden oder Unterbrechen – das ist natürlich auch eine Frage der Kultur, der Erziehung, des Temperaments. In einem englischen Pub ist stilles Trinken in freundschaftlichem Schweigen keine Seltenheit. Sie möchten hingegen bei einem italienischen Familienfest darauf bestehen, dass immer nur einer nach dem anderen spricht? Sie werden nicht dazu kommen, ihren Vorschlag anzubringen, da Sie bis nach Mitternacht vergeblich auf eine Gesprächspause warten werden. Nicht alle Gesprächskulturen sind problemlos kompatibel und sehr oft liegt das am unterschiedlichen Timing. Wie lang muss eine Gesprächspause dauern, damit endlich etwas zurückkommt?
„Warum gibt es Menschen, die andere nicht ausreden lassen?“, wird auf einer deutschen Ratgeberseite gefragt. Die Antwort: „Ganz einfach, weil sie eine schlechte Erziehung genossen haben.“
Einhellig setzen diverse Internet-Psychologen und -Coaches das Ausredenlassen mit gutem Zuhören gleich und unterstellen den Unterbrechern, nur an eigenen Gedanken interessiert zu sein. Haben die noch nie in die vor Langeweile gelähmten Gesichter einer höflichen Gesellschaft geblickt, die Kuchengabel um Kuchengabel in ihren Mündern versenkt, während Onkel XY ununterbrochen die Vorteile seines neuen Elektrovertikutierers erläutert? Keine Erinnerung an das Fußgewippe, Kuligeknipse und mühsam unterdrückte Fingertrommeln während der letzten Sitzung? Wird hier gut zugehört oder nur höflich geschwiegen?
In meinen Augen ist der Brauch, andere unbedingt ausreden zu lassen ein überholtes Merkmal einer im Geist noch autoritär organisierten Gesellschaft. Bei Tisch reden Kinder nur, wenn sie gefragt sind, hieß es früher. Wer am Wort ist, hat auch das Sagen. Doch wenn ein Vortrag dem anderen folgt, wird oft aneinander vorbeigeredet und die Aufforderung „Lass mich doch mal ausreden!“ sollte man viel öfter mit einem herzlichen „Dann komm doch mal zum Punkt!“ quittieren. Wenn ihr wollt, dass man euch lange freiwillig zuhört, dann erzählt gefälligst interessanter. Ich jedenfalls werde weiterhin lieber an Tischen sitzen, an denen spontan auf das Gesagte eingegangen und mit Gedanken Pingpong gespielt wird.
Eines dürfen Unterbrecher aber keinesfalls: Selbst ewig lang reden. Wenn sie das tun – bitte unterbrecht sie!
Punkt. 😉
das gedanken-pingpong ist ja ganz nett solang die achtung am wort des anderen nicht unter den tisch gepingpongt wird…..
Ich stimme dir völlig zu, Obermeirin! Natürlich hat das Problem zwei Seiten. Aber ich wollte halt der ‚einzig richtigen‘ Ansicht eine genau so richtige entgegensetzen 🙂
Die Eigendynamik beim Ping-Pong ist nicht zu unterschätzen, Lerchbaumerin! (es lebe der Gender : – ))
… und dann gibt es noch die Leute, die sich partout nicht unterbrechen lassen. Wenn man dann einfach irgendwann nicht mehr anders kann als einfach reinzureden sprechen sie trotzdem weiter und man kann es tatsächlich schaffen, mehrere Sekunden parallel zueinander zu reden. Habe ich ausprobiert 😁
Ich schwöre, dass ich zu denen nicht gehöre 🙂