Tipps von Nichtlesern für Autorinnen

Wer diesen Blog schon länger verfolgt, kennt ja bereits meinen Steuerberater (Taktvoll und tabellophob). Kürzlich hatte ich wieder einen meiner jährlichen Termine bei ihm.

Ich: Entschuldigen Sie die Verspätung. Chaos bei den Verkehrsbetrieben, irgendein Steuerungsfehler.
StB: Darüber sollten Sie mal ein Buch schreiben!
Ich: Über eine zehnminütige Verspätung? Meinen Sie, das trägt ein ganzes Buch?
StB: Darüber wie Technikversagen das Leben der Menschen beeinflusst.
Ich: Ein beliebtes Thema in der Literatur der letzten Jahrzehnte. Haben Sie darüber nicht auch schon öfter gelesen? (Eine hinterhältige Bemerkung, denn natürlich wusste ich bereits aus früheren Gesprächen:)
StB (schicksalsergeben): Ich selbst lese leider gar nicht. Aber meine Jüngste ist jetzt in der zweiten Klasse und schreibt sogar schon kleine Aufsätze. Was die für Einfälle hat! Das müssten Sie mal lesen!
Ich: Danke, gern! Kann ich mich vielleicht mit ein paar Steuertipps revanchieren? (Leider nur in Gedanken und eine Stunde später)

Zwei Tage später auf einer Punschparty bei Freunden. Das Gespräch dreht sich pikanterweise um unerwünschte Erziehungstipps von Leuten, die selbst keine Kinder haben.

WB (Weitläufiger Bekannter): Darüber solltest du mal ein Buch schreiben!
Ich: Okay.
WB: Das ist echt spannend!
Ich: Vielleicht eher dein Thema. Schreib du doch drüber.
WB: Ich hab dafür keine Zeit.
Ich: Aber lesen würdest du es?
WB: Eher nicht. Ich weiß das ja schon. Und zum Lesen fehlt mir auch die Zeit.

Wenig später.
WB: Der Banause hat sich mit dem Kakao-Schöpfer den Glühwein eingefüllt. Schweinerei.
Ich: Darüber sollte ich mal ein Buch schreiben.

Andere Gelegenheit.

Ich: Du drückst dich in deinen Mails immer so lustig altertümlich aus.
AF (Alter Freund): Wenn dir das gefällt, dann habe ich bald was Interessantes für dich. Ich schreib da nämlich an was.
Ich: Worum geht’s denn in deinem Werk?
AF: Meine Erfahrungen und Erlebnisse. Dreißig Seiten habe ich schon. Du kümmerst dich um den Verlag und als Ghostwriter um den Rest, dafür kriegst du 10 Prozent von den Tantiemen.
Ich: Klingt vielversprechend, aber … (erkläre kurz die Gesetzmäßigkeiten der Branche)
AF: Wenn es interessant ist, dann wollen die Leute das auch lesen. Die lesen doch auch sonst jeden Scheiß.
Ich: Würdest du es lesen wollen, wenn es nicht von dir handeln würde?
AF (irritiert): Ich lese eigentlich nie. Und wenn doch, dann nur Fachbücher.

Jede Autorin und jeder Autor kennt derartige Gespräche und nicht immer können wir darüber lachen. An schlechten Tagen verkrampfen sich unsere Kiefer und wir wenden uns zähneknirschend ohne ein weiteres Wort einem anderen Gesprächspartner zu. Von den Gewaltphantasien an noch schlechteren Tagen schweige ich lieber. Schlimm genug, wenn Leserinnen glauben, es mangelte uns an Einfällen. Noch schlimmer, dass jene, die wissen, welche Bücher dringend geschrieben werden müssten, sehr häufig Nichtleser sind. Auf der Suche nach einer entwaffnenden Reaktion frage ich mich, ob sich da nicht eine Marktlücke auftut.

AE (ahnungsloser Experte): Darüber sollten Sie mal schreiben!
Ich: Würden Sie es denn lesen?
AE: Bedaure, ich lese nie.
Ich: Was für ein Zufall! Mein letztes Buch ist das Buch für den Nichtleser. Ich verspreche Ihnen: Wenn Sie es lesen, wird es Ihr Leben bereichern.
AE: Wie gesagt: ich lese eigentlich nicht.
Ich: Genau darum sind Sie ja die Zielgruppe für mein Buch, ein absolutes Must-have für Nichtleser!

Noch nicht ganz ausgereift vielleicht, aber doch ein Schritt in die richtige Richtung, oder?

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2 Antworten zu Tipps von Nichtlesern für Autorinnen

  1. 😀
    Ja, genau! Darüber solltest du mal ein Buch schreiben! 😀

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