Federer hat Thiem bei den ATP-Finals zerlegt. ZER! LEGT!, sagte er.
Okay, reden wir über Tennis. Immerhin habe ich auch mal gespielt, habe also eine Meinung, die nicht ausschließlich auf Theorie beruht wie beispielsweise beim Fußball.
Zuerst waren da die Tennisstunden, in denen man mit anderen Kindern gemeinsam verschiedene Schläge übte, herumalberte, den Trainer hinter seinem Rücken nachäffte, sich den Ball möglichst genau zuspielte und zählte, wie oft es hin- und herging. Wer es am längsten schaffte, hatte gewonnen. Sobald man einigermaßen gezielte Schläge drauf hatte, durfte man beim Jugendturnier mitspielen.
Mit 9 oder 10 Jahren stand ich also aufgeregt im ersten Turnierspiel meines Lebens auf dem Platz, mir gegenüber meine Freundin Britta, mit der ich schon großartige Ballwechsel zustande gebracht hatte. Am Spielfeldrand Brittas Eltern und Geschwister und einige zufällige Zuschauer. Der Trainer gab auf dem erhöhten Sitz am Spielfeldrand den Schiedsrichter.
Zuerst war ich irritiert, dass Britta so gar nichts zustande brachte. Normalerweise platzierte sie ihre Bälle recht gut, sodass ich sie meist erreichen konnte. An diesem Tag schoss sie daneben, mir gelang kaum ein Return. Der Jubel am Spielfeldrand galt – für Eingeweihte nicht ganz überraschend – dennoch meiner Gegnerin. Denn das war sie hier, wie mir allzu langsam klar wurde. Einen Punkt nach dem anderen scorte sie, bald stand es 3:0. Natürlich hatte ich gewusst, dass gezählt wird und wie, dass es ums Gewinnen ging. Nur begriffen hatte ich es nicht. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte ich allein gegen Tränen der Enttäuschung über meine Freundin, die sich hier vor aller Augen bedenkenlos gegen mich wandte, mir keinen einzigen Punkt gönnte und dabei auch noch breit grinste.
Beim Seitenwechsel schüttelte der Trainer den Kopf, raunte mir zu: Jetzt wird’s aber Zeit, mach sie fertig! Du hast das drauf. Hau ihr den Ball um die Ohren, prügel sie vom Platz!
Nichts davon wollte ich. Ich wollte spielen. Miteinander. Trotzdem gab ich mir natürlich Mühe, schon wegen der mitleidigen Blicke, die mich vom Spielfeldrand trafen. Es war sinnlos. Ich war auf Zuspiel konditioniert. Irgendwas mit Ehre hielt mich davon ab, den Schläger hinzupfeffern und allen zu sagen, dass es sich hier um ein großes Missverständnis handelte, dass ich zu diesem Spiel keine Lust hatte. Nach dem viel bejubelten 0:6 schlich ich vom Platz. Es war das Ende meiner Tenniskarriere.
Daran denke ich, wenn ich höre, einer hätte den anderen zerlegt, niedergemacht, der wäre chancenlos untergegangen. Ein Surrogat für Krieg brauche ich nicht, weil ich kein Bedürfnis nach anderen als Wort-Gefechten habe. Was mich an Sport interessiert, ist die Körpererfahrung und das gemeinsame Erlebnis, nicht der Kampf. Schifahren, wandern, tanzen, klettern …
Dennoch gibt es Leute, denen ich gern beim Tennis zuschauen würde. Ein Match von Donald Trump gegen Ali Khamenei, bei dem beide am Ende erschöpft auf die Bank sinken und sich eine Flasche Limo teilen, würde mir gefallen. Wie die Taliban mit dem Tennisschläger umgehen und ob Israelis und Palästinenser ihren Dauerzwist am Center Court beilegen könnten, möchte ich gern wissen. Kickl und HC gegen Ali und Mustafa und nachher gemeinsam Shisha rauchen. Bei ihnen und vielen anderen wäre der guten Sache gedient, wenn sie den unheilvollen Hang zu Hetze und Kriegstreiberei mithilfe eines sportlichen Surrogats in den Griff bekämen. Eine Phantasie, die mich – mit wechselnder Besetzung – seit Kinderzeiten umtreibt.
Frauen fänden sich unter diesen Bedingungen allerdings wohl selten am Spielfeld.