Der angeblich beste Innenminister, den wir je hatten, sprüht nur so vor Tatendrang. Sein neuestes Lieblingsprojekt ist die präventive Sicherungshaft für Asylwerber. Wer „im Geiste schon den Sprengstoffgürtel angeschnallt hat“, soll ohne richterliche Anordnung oder gar nerviges Gerichtsverfahren eingesperrt werden. Es ginge um den Schutz potentieller Opfer.
Dagegen kann doch niemand etwas haben, oder? Das jedenfalls denkt sich auch ein wesentlicher Teil der angeblich sozialdemokratischen angeblichen Opposition. Als mutige Streiter für Gleichheit und Gerechtigkeit fordern die Landeshauptleute von Wien und dem Burgenland, die Sicherungshaft nicht auf Asylwerber zu beschränken. Ein überzeugendes Argument! Ausnahmslos jedes Gedankenverbrechen gehört durch eine ordentliche Präventivstrafe sanktioniert, das wusste schon Orwells Big Brother.
Dein Mann hat dich betrogen und du stellst dir genüsslich vor, wie du ihm den Brieföffner ins Gemächt rammst? Ab ins Gefängnis!
Du wünschst Politikern die Pest an den Hals? Klingt nach biologischer Kriegsführung. Ab ins Gefängnis!
Sämtliche Schriftsteller*innen, in deren Büchern gestorben wird – ab ins Gefängnis!
Du findest, Flüchtlinge sollte man gleich im Mittelmeer ersäufen? Hoppla – so ungerecht es erscheinen mag – auch das ist gedanklicher Massenmord. Ab ins Gefängnis!
Nun fragt sich natürlich: Wer bleibt da noch übrig? Und wie sollen die ohnehin schon überfüllten Gefängnisse mit dem Andrang fertig werden? Wären nicht sämtliche Wärter und jene Beamte, die Sicherungshaft anordnen, aufgrund der ärgerlichen Menschenrechtslage der Freiheitsberaubung und Nötigung schuldig und müssten also aufgrund tatsächlich verübter Verbrechen ebenfalls eingesperrt werden? Und erst die Politiker, die mit einem solchen Gesetz das Menschenrecht auf Gedankenfreiheit verletzen und den Rechtsstaat unterminieren wollen …
Gut, für Letzteres gibt es eine Lösung, weiß der Innenminister. Das Recht muss der Politik folgen und nicht umgekehrt, das hat er uns vorsorglich schon vor Wochen erklärt. Feixend sitzt er jetzt an seinem Schreibtisch, nippt an einer Melange und freut sich, dass über all der linkslinken Empörung sein letzter Coup fast unbemerkt bleibt: Schon ab März werden die Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge zynisch in Ausreisezentren umbenannt und mit einer nächtlichen Ausgangssperre belegt. Der Minister hat offenbar seinen Kafka gelesen und dessen albtraumhafte Szenarien als Handlungsaufforderungen missverstanden.
Um meine Energie nicht in hilflosem Gesuder zu erschöpfen, hier ein praxistauglicher Vorschlag, der alle Probleme auf einen Schlag löst: Widmen wir doch ganz Österreich in eine Haftanstalt für Gedankenverbrechen um! Damit entlasten wir nicht nur die Gefängnisse, die dann wieder tatsächlich Straffälligen vorbehalten sein könnten. Nein, wir halten auch alle Flüchtlinge, die noch halbwegs bei Trost sind, davon ab, bei uns Schutz, pardon, Sicherungshaft zu suchen.
Es ist aber auch beeindruckend, dass der Herr Innenminister (oder vielleicht dann die etwaige Verhaftungen vornehmenden Polizisten?) Gedanken lesen kann. Womöglich noch in fremden Sprachen.
Denn dass die Einschätzung, in wessen Gedanken wohl gerade Sprengstoffgürtel herumspuken, auf reinem Rassismus beruht, das kann ja nicht sein…
Beamte der Asylbehörden sollen entscheiden, wen es es trifft. Bestimmt gibt es für die Schulungen im Gedankenlesen. Aber nein, wir haben noch einmal Glück gehabt. Die Opposition stellt sich ja nun doch nach den ersten Reflexrülpsern einhellig gegen den Plan und ohne sie ist die nötige Verfassungsänderung nicht möglich.
Es ist dermaßen ätzend, dass man dauernd gegen solche kranken Pläne aufstehen muss. Natürlich wird man müde. Doch genau das bezwecken die Rechten natürlich, indem sie uns täglich mit repressiven Vorhaben bombardieren.