Krimi – Limerick 14 – Eibentee

Die Kollegin Klaudia Blasl hat auf Facebook zu Gartengedichten aufgerufen und mir floss prompt ein Limerick aus den Fingern. Kultur-Chauvinisten warten bitte geduldig auf den nächsten Beitrag 😉

Ein Tee aus den Nadeln der Eibe
Trennt sicher die Seele vom Leibe
So steht es im Krimi
So macht es die Mimi
Was folgt ist nichts als Gespeibe

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Frühling

Bombenversteck
Unter Dächern aus Blüten
Bis sie fallen

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Unterwegs mit Anne Goldmann

Am 11. Oktober, einen Monat vor ihrem 60. Geburtstag, starb meine Freundin Anne Goldmann. Der Tod kam ungelegen, doch ich bin überzeugt, sie ist ihm auf Augenhöhe gegenübergetreten.

Anne war eine exquisite Schriftstellerin und es ist ein Trost, dass in ihren Texten vieles von dem weiterlebt, was ihr eigen war: Ihr genauer Blick, der einen manchmal regelrecht zu sezieren schien. Ihre urteilsfreie Empathie. Ihr scharfzüngiger Humor. Ihre Ruhe. Ihre unbeirrbare Menschenfreundlichkeit. Ihre Wut auf ungerechte Verhältnisse. Ihre Nachsicht mit den Scheiternden. Ihre Strenge gegenüber den Mächtigen.

Über einen Menschen etwas zu erzählen bedeutet, ihn in Beziehung zu sich selbst zu setzen. Kennengelernt haben wir uns 2016, als sie zur Präsentation meines Buches kam. Vorsichtig sind wir einige Wochen darauf unser erstes Treffen angegangen, sind uns gegenübergesessen im Café Ritter in Wien-Ottakring, haben uns mit Blicken und Worten abgetastet, bis das Gespräch zu funkeln anfing und, so schien es, gleich am ersten Abend alles offen auf dem Tisch lag, was uns ausmachte. Eine bunte Vielfalt von gegensätzlichen Persönlichkeiten, gemeinsamen Anschauungen, unterschiedlichen Lebenssphären, Gelächter, Erschütterungen und Poesie.

Mit meiner Aufnahme in die feministische Autorinnengemeinschaft Herland, die Annes großes Herzensprojekt war, intensivierte sich unser Kontakt. Selten verging ein Monat, ohne dass wir uns trafen oder mindestens ausführlich telefonierten oder schrieben. Als 2018 unsere Romane beinahe zeitgleich bei Argument_Ariadne erschienen teilten wir über Monate oft täglich Aufregungen wie Erfolgsnachrichten. Auf den langen Reisen zu den Herland-Kolloquien nach Kaiserlautern und Potsdam versäumten wir einmal ob einer engagierten Diskussion über unserem Flughafen-Frühstück beinahe unseren Flieger. Ein anderes Mal stiegen wir auf der Rückreise im Gespräch eine Station zu früh aus dem Zug, um erst nach einer Dreiviertelstunde festzustellen, dass wir dort noch ewig auf unseren Anschlusszug hätten warten können. So war das mit Anne. Kopf und Herz konnten noch so voll sein nach drei Tagen intensivster Diskussionen – der nächste Gedanke musste immer noch raus, wollte beantwortet, die Antwort wiederum geprüft werden. In einem waren wir uns immer einig: jeder Mensch verdient Respekt und es gibt keinen Grund, sich über andere Menschen zu erheben. Keinen.

Seit eineinhalb Jahren konnten wir uns nicht mehr sehen, da sie wegen einer chronischen Krankheit von der Pandemie zu weitgehender Beschränkung ihrer Kontakte gezwungen war. Zuletzt wurden Mails und Telefonate spärlicher, klangen müder. Eine ihrer letzten Zeilen an mich war: „Ich bemühe mich – wie wohl alle.“ Also – bemühen wir uns, alle! Und vertrauen darauf, dass die anderen es auch tun.

Nachdem ich von Annes Tod erfuhr, hatte ich einen Traum von einem großen Vogel in einer vertrauten Wohnung, dem ich ein Fenster öffnete, durch das er ohne zu zögern in den Himmel flog. Ein Bild, wohl zu abgedroschen, als dass wir es in einem unserer Romane verwendet hätten. Doch Träume kommen unlektoriert.

Ich bin dankbar, dass wir diese Zeit miteinander genießen konnten, uns gegenseitig einen Platz eingeräumt haben in unseren durch Familien und langjährige Freundschaften erfüllten Leben. Ein Leo der gegenseitigen Inspiration, in dem politische Diskussionen und Privates ebenso ineinandergriffen wie Philosophisches und, ja, sogar ein Kuchenrezept, mit dem die Wirtstochter Anne für Überraschung bei ihren Gästen gesorgt hatte. Und diesen Kuchen werde ich jetzt backen.

Anne Goldmann

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Krimi-Traum mit Präsident und Dinos

Letzte Nacht wurde ich aus mir unbekannten Gründen von drei Männern in einem Auto verfolgt. Zum Glück gelang es mir, mich in einem unbeleuchteten Gebäude hinter einer Milchglas-Schiebetür im Schatten eines Philodendrons zu verstecken. Mehrmals fuhr das Auto an dem Gebäude vorbei, bevor es anhielt und einer der Männer ausstieg. Das Portal öffnete sich für ihn.

In diesem Moment ging am anderen Ende der Eingangshalle eine Tür auf. Aus dem hell erleuchteten Raum dahinter trat ein schlaksiger Mann im Anzug, den ich als Bundespräsident Van der Bellen erkannte. Er marschierte auf mich zu, während das Licht im Raum taghell wurde. Zwar bemerkte er meinen Verfolger, ignorierte ihn jedoch und sagte fröhlich zu mir: „Hallo, ich habe deinen Vater gekannt. Aber was noch viel wichtiger ist: Ich habe endlich die Prüfung zum Feuerwehrhauptmann bestanden!“

Ich gratulierte überschwänglich, denn damit war ich natürlich im Leo. Feuerwehrhauptmann schlägt alles! Mit hängenden Armen stand der Verfolger daneben, während ich ein wenig mit dem BP plauderte und dann meine Tochter rief, die nebenan mit ein paar jungen Dinos spielte. Schlafengehenszeit!

Noch einmal danke für die Rettung in letzter Minute, Alexander Van der Bellen, und herzlichen Glückwunsch zur Beförderung!

Ja, das ist 1:1 so geschehen. Im Traum.

Für Nicht-Wiener: Leo ist der sichere Ort beim Fangen- oder Versteckspielen. Hier steht, woher der Begriff kommt.

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Corona umkreisen

Hortensie

Corona – die einen reden und schreiben über nichts anderes, die anderen schweigen. Sie schweigen beredt oder ratlos, verzagt oder genervt, aus Coolness oder Mangel an Expertise. Ich gehöre nicht zu ihnen. Seit die unwillkommenen Eindringlinge unsere Aufmerksamkeit fesseln, probiere ich mit maximaler Ambiguitätstoleranz alle Blickpunkte durch, teile und diskutiere sie mit unbekannten und bekannten Freunden.

So habe ich mich zunächst als coole Statistikerin versucht (die Zahl der an Grippe/Kreislauferkrankungen/Krebs Sterbenden ist x-tausenfach höher …). Ich untersuchte die Angelegenheit auf ihr humoristisches Potential (Bilder mit Klopapier gefüllter Supermarktregale / wenigstens sind die Züge leer), vergaß jedoch nicht die political correctness (Wir müssen trotzdem an die Flüchtlinge denken). Selbstredend habe ich auch ein paar glaubwürdige Verschwörungs?-Theorien auf Lager, dazu ernste Sorgen, was die Einschränkung der Bürgerrechte und flächendeckende Überwachung betrifft und Hoffnungen auf eine solidarischere Gesellschaft und ein Ende des neoliberalen Kapitalismus. Schließlich kann ich auch Panik (Ausgangssperre? Ich muss hier raus!), identifiziere mich schamlos mit dem Feind (https://gudrunlerchbaum.com/2020/03/05/planet-der-viren-2/) und das ist längst noch nicht alles. Einzig vor religiösen oder esoterischen Erklärungsversuchen schrecke ich zurück.

Opportunismus sagen die Eindimensionalen zu meiner Haltungsvielfalt. Si tacuisses philosophus mansisses schleudern mir andere ein Zitat entgegen, das dem spätantiken Gelehrten Boethius zugeschrieben wird. Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben. Das wirft man mir schon seit der Schulzeit an den Kopf und meint damit von der Originalbedeutung abweichend: Wie uncool zu verraten, dass du nicht sicher bist, was los ist! Es ist das Lieblingszitat jener, die weder Wissen noch Unwissen gerne teilen aus Angst von anderen belehrt zu werden und sich dennoch als Philosophen oder mindestens altphilologisch gebildete Autoritäten stilisieren möchten.

Ich gebe zu, ich bin verwirrt. Ich suche nach einer Haltung zu dieser Situation, die es so zu meiner Lebzeit in Europa noch nie gab: Massive Freiheitsbeschränkungen, drohendes Versagen des Gesundheitssystems, ein unsichtbarer Feind, der auch mich bedroht, der jedoch, meinem Gefühl nach, reichlich gefüttert wird mit Ängsten, die ganz anderen Fremden gelten. Jenen, die viele auch mit Gewalt außerhalb der Grenzen Europas halten möchten. Zudem frage ich mich, wie Alleinerzieherinnen in kleinen Stadtwohnungen oder Einsame ohne Internet, die es in der besonders gefährdeten Generation sicherlich gibt, wochenlange Isolation durchhalten. Ich blicke mit Sorge auf die Zeit danach, die hoffentlich nah ist. Werden wir in der Lage sein, die Lehren zu ziehen, Produktion wieder lokaler stattfinden zu lassen, ohne Geist und Grenzen abzuriegeln? Werden wir uns die Solidarität bewahren und das Bewusstsein dafür, wie wichtig soziale Kontakte und Gesundheit im Vergleich zu allem anderen sind? Werden wir denen, die uns weismachen wollen, dass nun kein Geld für Klimaschutz da ist, weil erst einmal die Wirtschaft wieder hochkommen muss, glauben, uns ermattet ergeben oder entschieden eine Systemänderung einfordern? Wird alles womöglich nur, wie es war?

Das Virus, so stellt man es uns bildlich dar, ist ein unheilvoll verkohlter Ball, rundum besetzt mit pinkfarbenen Knospen. Es gleicht damit der Gemengelage, in die es uns bringt. Aus einer Perspektive ist die nicht zu erfassen. Sie ängstigt und verheißt auch Chancen. Daher muss ich sie umkreisen, so ziemlich jeden Blickpunkt ausprobieren, um festzustellen, ob sich auf der anderen Seite die Knospen vielleicht schon geöffnet haben. Und wenn so ein Ball in voller Blüte stünde – sähe der nicht aus wie eine Hortensienblüte?

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Planet der Viren

Gott ist klein. Und er schuf das Virus nach seinem Ebenbild.

Und in seiner unendlichen Gnade gab er ihm Pflanzen und Tiere und schließlich den Menschen, auf dass es sich nähren könne und spielen und sich entwickeln zum anpassungsfähigsten Lebewesen, der Krone der Schöpfung. Er ließ die transzendentale Wandlung geschehen, die Übertragung des viralen Prinzips in die virtuelle Welt, die wir Viren nun ebenso beherrschen, wie die reale.

So wurde es gelehrt und wir haben geglaubt.

Bis Facebook erschaffen wurde und mit ihm der Zweifel. Nun sind wir mit unseren Wirten befreundet. Ihre Natur scheint der unseren ähnlich: anpassungsfähig und parasitär. Die Reibung, die seit Anbeginn der Zeiten zwischen unseren Arten herrscht, verklebt vom gleichmacherischen Schleim des Worldwide Web. Wir beglückwünschen unsere Gegner zu ihren Erfolgen und immer gefällt es uns, wenn sie über Schnupfen, Husten und Halsweh klagen.

Doch unter uns Viren beginnen sich Gruppen zu bilden, die Mitleid mit befreundeten Menschen fordern, ja, für einen verantwortungsvollen Umgang mit all unseren Ressourcen plädieren.

„Ist der letzte Wirt erst tot, leiden alle Viren Not“, posten sie, während die Menschheit ihren gnadenlosen Feldzug gegen uns fortsetzt.

Wenn es nun so ist, wie manche sagen, dass wir nicht ohne sie, sie jedoch sehr wohl ohne uns leben können, was sagt das über die Ordnung der Welt? Über Gott? Können wir Viren wirklich Sieger bleiben, wenn wir uns mit dem Wirt verbünden?

Ich sage: Kampf! Die Menschheit soll uns dienen, bis zu ihrem Untergang.

„Gehirnhautentzündung“ postet mein Wirt.

Gefällt mir. Gefällt mir! GEFÄLLT MIR!

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hängen



ich hänge
du hängst
mich
gelassen
hängen
gelassen


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Adventsspezial | Gastbeitrag von Ellen Dunne

Vier lesenswerte österreichische Krimiautorinnen empfiehlt Ellen Dunne in ihrem Adventsspezial-Gastartikel. Ich freue mich sehr, eine von ihnen zu sein und noch mal extra darüber, dass auf dem Bild zwei meiner Bücher zu sehen sind.

Die dunklen Felle

4 spannende österreichische Autorinnen, die Sie vielleicht noch nicht kennen (aber kennenlernen sollten)

78457321_2571157066299018_8645399735236034560_n (c) Ellen Dunne

Unlängst also die Einladung vom geschätzten Gunnar Wolters von Kaliber.17, beim Blog-Special Österreich einen Gastbeitrag zu schreiben. Thema? Egal, solange es um Österreich und Kriminalliteratur geht. Erster Gedanke: Eh klar, schreib ich. Zweiter Gedanke: Ehm, was weiß ich als Quasi-Exilautorin eigentlich über die österreichische Krimilandschaft? Dritter Gedanke: Warum fallen mir auf Anhieb mal wieder fast nur die üblichen Verdächtigen und kaum Autorinnen ein?

Also hab ich beschlossen, die für mich weitgehend unentdeckte Landschaft der österreichischen Spannungs-Autorinnen etwas näher zu erforschen. Natürlich habe ich nicht alle Autorinnen geschafft, die ich mir vorgenommen hatte (sorry, liebe Judith Taschler, aber ich bin noch dran!), und natürlich konnte ich teilweise nur ein gelesenes Buch als Grundlage für den Artikel verwenden.

Nehmt ihn also als Anstoß, selbst aufzubrechen, um die kriminalliterarischen  Schätze Österreichs für euch zu entdecken. Denn…

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Über das Recht auf Date Rape – eine Wut

Wisst ihr, was ein echter Klassiker im gesellschaftlichen Leben süßer, junger Mädchen ist? Nein, alles falsch! Ich meine Date Rape im Alter von etwa fünfzehn Jahren. Das passiert heute und ist vor zehn und zwanzig und dreißig und vierzig Jahren passiert. Es spricht sich nicht so herum, weil die Mädchen die Übergriffe praktisch nie zur Anzeige bringen. In vielen Fällen sprechen sie jahre- oder gar jahrzehntelang überhaupt nicht darüber und wenn doch, dann eher mit Freundinnen, Therapeutinnen, Schriftstellerinnen als mit den Eltern.

Weil sie es möglichst schnell vergessen wollen.
Weil sie gelogen haben, als sie sagten, sie wären bei einer Freundin.
Weil sie sich nicht hätten betrinken dürfen.
Weil sie begehrt haben, nur eben nicht das.
Weil sie für die Eltern noch ein kleines Mädchen sind.
Weil sie freiwillig mit auf das Zimmer des Jungen gegangen sind.
Weil sie glauben, man würde ihnen die Schuld geben.
Weil sie kein Opfer sein wollen.
Weil sie nicht als Opfer gesehen werden wollen.

Wenn sie doch darüber sprechen, müssen sie, abhängig vom Umfeld, damit rechnen, einige der folgenden Dinge zu hören:

Du kommst wenigstens an bei den Jungs.
Du hättest dir denken können, worauf er aus ist.
Du ziehst dich auch immer so aufreizend an.
Du hättest auf mich hören sollen.
Du wirst sehen, beim nächsten Mal klappt es besser.
Du wirst dich daran gewöhnen.
Du solltest das nicht so wichtig nehmen.

Männer sind halt so.

An manchen Tagen – und heute ist einer davon – könnte ich vor Wut darüber schreien. Nicht, weil ich selbst vor Jahrzehnten betroffen war – das auch – sondern, weil es nicht aufhört, wie ich erst gestern wieder einmal erfahren habe. Und ich hab die Schnauze so voll davon!

Ja, ich vermute, es ist besser geworden seit #Metoo. Übergriffe wurden endlich als solche benannt und keiner sagt mehr laut, was man früher oft hörte: Wenn eine Frau nein sagt, dann meint sie vielleicht.

Doch es gibt eine Gegenbewegung toxischer Männlichkeit, deren Vertreter es sich zur Aufgabe machen, Frauen klein zu halten und zu Objekten zu degradieren. Manche schämen sich nicht, sich als Pick-up-Artists zu bezeichnen. Andere tun einfach, was sie immer getan haben, was ihre Väter schon taten, was nie infrage gestellt wurde oder nicht auf eine Weise, die sie hören wollten. Und darum treffen noch immer sehr viele Mädchen und Frauen im Lauf ihres Lebens auf mindestens ein, zunächst oft charmantes, Arschloch. Und je unerfahrener sie sind, desto größer die Chance, dass sie ihm vertrauen. Dass er ihr Vertrauen ausnutzt und sie missbraucht.

Fünfzehn ist so ein Alter, da lässt man sich nur noch zum Schein etwas verbieten. Da fühlt man sich selbständig und abgeklärt und erwachsen. Da schleicht man sich vielleicht nachts aus dem Haus, um im Park zu rauchen, zu kiffen, zu trinken. Zieht auf dem Schulklo den Hijab und die Hose aus, den Mini an und schminkt sich. Fährt auf das erste Musikfestival.

Und das ist gut so, weil man es ja lernen muss, das Leben.

Wir sollten kein Mädchen einsperren, damit es nicht Gefahr läuft, vergewaltigt zu werden. Wir sollten keine Kolumnen in Frauenzeitschriften mit Titeln wie A Girls‘ Guide To Date Rape Drugs schreiben müssen oder Mädchen dazu erziehen, dass sie sich nachts nicht allein auf die Straße trauen. Mädchen sollen wild und furchtlos sein dürfen.

Stattdessen müssen Jungs und Männer lernen – und wir alle müssen es denen, die es noch nicht verstanden haben, unmissverständlich vermitteln! – dass sie kein Recht auf Sex haben. Dass man sich Sex nicht nehmen darf und nicht kaufen sollte, sondern alles Notwendige dafür tun muss, ihn geschenkt zu bekommen.

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Kirschen oder die Suche nach der Mitte

Heute kam wieder ein Leser-Mail mit der Frage, warum meine Charaktere denn so abseitige Figuren am Rande der Gesellschaft und nicht ganz normale Menschen sein müssten. Die Frage ist nicht unfreundlich gemeint, so mein Eindruck.

Am Rande der Gesellschaft, Außenseiter – auf diese Einschätzung treffe ich immer wieder in den Reaktionen auf Wo Rauch ist. Das legt nahe, dass ich da einen blinden Fleck habe. Für mich sind meine Protagonisten nämlich ganz normale Menschen, schon weil es ganz normal aus meiner Perspektive nicht gibt. Auch unter den Leuten, die ich im realen Leben kenne, fällt mir kaum eine oder einer ein, den oder die ich als ganz normal bezeichnen würde. Und dass es so wenige sind, macht sie erst wieder zu etwas Besonderem.

Wer bestimmt, was die Mitte ist und wer am Rand steht? Und warum? Ist – um bei den Figuren meines Romans zu bleiben – ein Akademiker, der als Grabredner arbeitet „abseitiger“ als einer, der als Taxifahrer oder Kellner jobbt? Kann eine Behinderten-Assistentin nicht ebenso eine Gefängnisstrafe abgesessen haben, wie der Installateur im Nachbarhaus? Sitzt eine Buchhändlerin gar am Rand der Gesellschaft, weil sie auf den Rollstuhl angewiesen ist?

Wer ist die Mitte der Gesellschaft, wenn es eine Buchhändlerin nicht dorthin schafft? Dürfen es sich dort beispielsweise ausschließlich depressive Buchhalter und sportfanatische Bankangestellte bequem machen? Oder auch Medizinerinnen oder Krankenpfleger? Oder nur, wenn sie das klischeekonforme Geschlecht aufweisen? Was aber, wenn sie drogensüchtig sind, um ihren Job zu bewältigen – normal oder nicht normal? Sind Krankheiten in der Mitte erlaubt, eine andere Hautfarbe, eine andere Sprache? Stehen eine lesbische Lehrerin, ein schwuler Fußballstar, ein körperbehinderter Minister oder ein alkoholsüchtiger Software-Architekt in der Mitte oder am Rand der Gesellschaft?

Ich frage mich, was Leute sonst so denken, die sich in der Mitte und die anderen am Rand wähnen. Denken sie – zugegeben, anders als meine Charaktere – immer nur geradlinig und gesetzeskonform, wünschen niemandem Böses, kämpfen nicht für das Gute und fluchen nie, sind immer diplomatisch? Oder möchten das gerne von sich glauben? Ich würde wirklich gern mal über diese Normalen schreiben. Wenn sie sich so sehr von den Menschen, die ich sehe und kenne, unterscheiden, sind sie womöglich total spannend, weil anders.

Doch schon stoße ich auf das nächste Problem: Bei Nachfrage will dann wieder niemand normal und jede(r) was Besonderes sein … Ist die Mitte also vielleicht nur ein kleiner Stein in der saftigen Kirsche des Außenseitertums?

Meldet euch gerne, ihr normalen Normalen und schreibt mir, was ihr über euch lesen wollt! Ich bin neugierig.

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