Wisst ihr, was ein echter Klassiker im gesellschaftlichen Leben süßer, junger Mädchen ist? Nein, alles falsch! Ich meine Date Rape im Alter von etwa fünfzehn Jahren. Das passiert heute und ist vor zehn und zwanzig und dreißig und vierzig Jahren passiert. Es spricht sich nicht so herum, weil die Mädchen die Übergriffe praktisch nie zur Anzeige bringen. In vielen Fällen sprechen sie jahre- oder gar jahrzehntelang überhaupt nicht darüber und wenn doch, dann eher mit Freundinnen, Therapeutinnen, Schriftstellerinnen als mit den Eltern.
Weil sie es möglichst schnell vergessen wollen.
Weil sie gelogen haben, als sie sagten, sie wären bei einer Freundin.
Weil sie sich nicht hätten betrinken dürfen.
Weil sie begehrt haben, nur eben nicht das.
Weil sie für die Eltern noch ein kleines Mädchen sind.
Weil sie freiwillig mit auf das Zimmer des Jungen gegangen sind.
Weil sie glauben, man würde ihnen die Schuld geben.
Weil sie kein Opfer sein wollen.
Weil sie nicht als Opfer gesehen werden wollen.
Wenn sie doch darüber sprechen, müssen sie, abhängig vom Umfeld, damit rechnen, einige der folgenden Dinge zu hören:
Du kommst wenigstens an bei den Jungs.
Du hättest dir denken können, worauf er aus ist.
Du ziehst dich auch immer so aufreizend an.
Du hättest auf mich hören sollen.
Du wirst sehen, beim nächsten Mal klappt es besser.
Du wirst dich daran gewöhnen.
Du solltest das nicht so wichtig nehmen.
Männer sind halt so.
An manchen Tagen – und heute ist einer davon – könnte ich vor Wut darüber schreien. Nicht, weil ich selbst vor Jahrzehnten betroffen war – das auch – sondern, weil es nicht aufhört, wie ich erst gestern wieder einmal erfahren habe. Und ich hab die Schnauze so voll davon!
Ja, ich vermute, es ist besser geworden seit #Metoo. Übergriffe wurden endlich als solche benannt und keiner sagt mehr laut, was man früher oft hörte: Wenn eine Frau nein sagt, dann meint sie vielleicht.
Doch es gibt eine Gegenbewegung toxischer Männlichkeit, deren Vertreter es sich zur Aufgabe machen, Frauen klein zu halten und zu Objekten zu degradieren. Manche schämen sich nicht, sich als Pick-up-Artists zu bezeichnen. Andere tun einfach, was sie immer getan haben, was ihre Väter schon taten, was nie infrage gestellt wurde oder nicht auf eine Weise, die sie hören wollten. Und darum treffen noch immer sehr viele Mädchen und Frauen im Lauf ihres Lebens auf mindestens ein, zunächst oft charmantes, Arschloch. Und je unerfahrener sie sind, desto größer die Chance, dass sie ihm vertrauen. Dass er ihr Vertrauen ausnutzt und sie missbraucht.
Fünfzehn ist so ein Alter, da lässt man sich nur noch zum Schein etwas verbieten. Da fühlt man sich selbständig und abgeklärt und erwachsen. Da schleicht man sich vielleicht nachts aus dem Haus, um im Park zu rauchen, zu kiffen, zu trinken. Zieht auf dem Schulklo den Hijab und die Hose aus, den Mini an und schminkt sich. Fährt auf das erste Musikfestival.
Und das ist gut so, weil man es ja lernen muss, das Leben.
Wir sollten kein Mädchen einsperren, damit es nicht Gefahr läuft, vergewaltigt zu werden. Wir sollten keine Kolumnen in Frauenzeitschriften mit Titeln wie A Girls‘ Guide To Date Rape Drugs schreiben müssen oder Mädchen dazu erziehen, dass sie sich nachts nicht allein auf die Straße trauen. Mädchen sollen wild und furchtlos sein dürfen.
Stattdessen müssen Jungs und Männer lernen – und wir alle müssen es denen, die es noch nicht verstanden haben, unmissverständlich vermitteln! – dass sie kein Recht auf Sex haben. Dass man sich Sex nicht nehmen darf und nicht kaufen sollte, sondern alles Notwendige dafür tun muss, ihn geschenkt zu bekommen.